Vermisst in den Kanadischen Rockies- Leseprobe

Am 18. Oktober 2022 war es soweit und ich habe meinen neuen Roman veröffentlicht. Natürlich ist dies immer mit großer Aufregung verbunden. In diesem Blogbeitrag möchte ich euch das Cover und den Klappentext vorstellen und euch auch eine ausführliche Leseprobe zukommen lassen.

Hier dürft ihr erst einmal den Klappentext lesen, der hoffentlich neugierig macht.

Glücklich ist Jesse schon lange nicht mehr mit ihrem Freund Sean.

Als sie den attraktiven Collin an einem See in den Bergen trifft, gerät ihr Leben noch mehr aus den Fugen.

Zwischen Liebe und Gewalt muss sie nun herausfinden, wer es wirklich gut mit ihr meint.

Als alles zu zerbrechen droht, beginnt für Jesse ein Wettlauf gegen die Zeit in den Rocky Mountains.

Wird sie entkommen können?

Oder wird sie für alle Zeit ausgeliefert sein?

Kapitel 1


Es war ein sonniger Tag im Frühjahr am Moraine Lake im Banff National Park. Wie immer tummelten sich Touristen am See, die vom himmelblauen Wasser angezogen wurden. Die Berge im Hintergrund, die Baumstämme im kühlen Nass, lassen den Ort idyllisch wirken. Jesse war am Nachmittag an diesem romantischen Ort. Sie gehörte zu den Einheimischen, die immer wieder Zeit am Moraine Lake verbrachten und in dem nahe gelegenen Ort Canmore lebte. Eine Kleinstadt in der Provinz Alberta, die, wie viele Einheimische, gern ihre Freizeit genoss. Doch heute war kein guter Tag. Sie fühlte sich niedergeschlagen und traurig. Ein weiterer Grund, an den See zu fahren, um etwas allein zu sein. Nach einem kleinen Spaziergang, vorbei an den Menschen, suchte sie sich ein ruhiges Eckchen. Sie setzte sich auf einen der großen Steine, die nahe am Wasser lagen. Die Knie angezogen, die Arme um diese gewickelt, liefen unaufhaltsam Tränen ihre Wangen herab. Ihre Gefühle übermannten sie. Allein gelassen vermisste sie jemanden, der ihr eine Umarmung schenkte. Die Menschen spazierten an ihr vorbei, deren Blicke kaum zu ertragen waren. Sie wollte doch einfach nur etwas raus von zuhause, an einen Ort, der ihr sehr viel bedeutete. Jesse konnte ja nicht wissen, dass sie plötzlich weinend am See saß.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, war leise und sanft neben ihr zu hören. Sie hob ihren Kopf und wischte mit der Hand die Tränen weg. Da erblickte sie diesen jungen attraktiven Mann, der sie fürsorglich ansah und eine Kamera um den Hals trug. Auf dem Rücken hatte er einen großen Rucksack.
»Helfen kann mir leider niemand.« Doch insgeheim war sie glücklich, dass jemand auf sie aufmerksam wurde.
»Mein Name ist Collin, wie heißt du?«
»Ich heiße Jesse«, flüsterte sie leise.
»Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte er vorsichtig. Er sah ihre Tränen und spürte, dass sie Hilfe brauchte oder einfach nur jemanden, der bei ihr war.
»Ja, gern«, sagte sie und wischte sich mit ihrer der Hand erneut die Tränen aus dem Gesicht. Sie blickte in diese blauen Augen, die dem Wasser des Sees gleichkamen. Seine Haare waren wirr in die Stirn gefallen und der Bart ließ ihn sehr männlich wirken. Die beiden saßen nebeneinander auf dem großen Stein, als Collin das Schweigen unterbrach.
»Warum bist du so traurig?«, wollte er wissen. Jesse fühlte sich etwas unsicher. Was sollte sie sagen? Sie kannte Collin gerade mal fünf Minuten. Aber er wirkte aufgeschlossen und sympathisch. Er war schließlich der eine Mensch von vielen, der ohne Scheu auf mich zuging, während andere Menschen nur an mir vorbeiliefen. Hat er damit nicht die Wahrheit verdient?
»Ich habe Probleme mit meinem Freund«, erzählte Jesse mit leiser Stimme.
»Tut mir sehr leid. Darf ich fragen, welche Probleme?«
»Wir hatten wieder einmal Streit«, stotterte sie und die Tränen kehrten zurück. Sie konnte nicht glauben, dass sie dies einem wildfremden Menschen erzählte, doch es war ihr irgendwie rausgerutscht.
»Kann ich irgendetwas tun, was dich ein wenig aufheitert oder ablenkt? Was hältst du von einem kleinen Spaziergang am See entlang?«
»Das klingt toll und gern würde ich ein wenig spazieren gehen«, antwortete sie. Jesse strich sich ein paar Haarsträhnchen aus dem Gesicht, die von den Tränen benetzt waren, und schenkte Collin ein Lächeln. Die beiden schlenderten am Wasser entlang, bis sie am Ende des Sees ankamen, wo ein größerer Bachlauf in den Moraine Lake floss. Jesse liebte den Anblick und machte mit ihrer Handykamera ein paar schöne Fotos. Collin blickte sie mit einem Lächeln an.
»Darf ich ein Bild von dir machen?«
Jesse war verlegen, bejahte aber seine Frage. Für einen Augenblick vergaß sie den Schmerz in ihrem Herzen. Er legte seinen Rucksack ab und öffnete diesen, um ein anderes Objektiv für seine Spiegelreflexkamera herauszuholen. Jesse war erstaunt über den Inhalt seiner Tasche, der nur Zubehör für die Kamera beinhaltete.
Collin sieht sehr professionell aus mit seinem Fotoapparat, dachte sie sich. Nachdem er ein paar schöne Fotos gemacht hatte, blickte er zu ihr.
»Hast du Lust auf einen Kaffee?«
»Ja, das klingt nach einer tollen Idee«, erwiderte Jesse. Langsam machten sie sich auf den Rückweg, auf dem sie immer wieder kleine Erdhörnchen beobachten konnten, die auf den Wurzeln der Bäume saßen und in keiner Weise scheu waren. Da das Wetter sehr schön war, beschlossen sie, den Kaffee auf der Terrasse des Gartenlokals zu trinken. Collin legte seine Tasche ab und streckte sich erst mal ausgiebig, um seine Schultern zu entspannen. Sein Rücken war verschwitzt durch das ständige Tragen des Rucksacks. Aber es ging kein Weg dran vorbei. Sein Fotoequipment musste immer mit, wenn er in die Natur wollte.
Als sie ihre Bestellung im Café aufgegeben hatten, gingen sie nach draußen und suchten sich ein schattiges Plätzchen unter einem Baum.
»Bist du öfters hier am See?«, wollte Collin neugierig wissen.
»Ja, eigentlich schon, wenn ich das Gefühl habe, eine Auszeit zu benötigen, dann bin ich häufig hier. Hier kann ich zur Ruhe kommen«, erzählte sie. »Und ich wohne nicht allzu weit weg«, fügte sie hinzu.
»Wo kommst du denn her?«, fragte Collin.
»Ich lebe in Canmore.«
»Das ist ein schönes kleines Städtchen, nicht wahr?«, stellte Collin fest.
»Ja, ist es. Und wo kommst du her?«, fragte Jesse voller Neugierde.
»Ich muss etwas weiter fahren, ich wohne in Jasper.«
»Und was führt dich hier an den See?«
»Ich war schon oft hier, finde, es ist ein ausgesprochen toller Ort, sehr idyllisch. Immer wenn ich in der Nähe bin, komme ich hier an den See. Besuche gerade für drei Tage einen Workshop für Fotografie in Banff«, antwortete Collin.
»Das klingt sehr interessant, du bist Fotograf?«
»Ja, bin ich.«
»Dachte ich mir fast, dem Rucksack nach zu urteilen mit all dem Kamerazubehör.« Jesse nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und war sehr neugierig.
»Welche Art von Fotos machst du?«
»Ich hab mich auf Natur und Porträt spezialisiert, das macht mir am meisten Spaß.«
»Wow, ich würde gern mal Fotos von dir sehen«, meinte Jesse und wurde leicht rot, da sie nicht glauben konnte, dass sie das eben sagte.
»Ich zeige dir gern Fotos von mir. Am einfachsten ist ein Besuch auf meiner Webseite, dort siehst du ganz viele Bilder. Du kannst mir aber auch deine Mail-Adresse geben oder die Handynummer, dann schick ich dir welche. Wir können aber auch ein Treffen organisieren, wo ich dir einige meiner Arbeiten vor Ort zeige.«
»Das wäre großartig«, sagte Jesse. Die beiden tauschten ihre Kontakte aus und unterhielten sich noch eine ganze Weile. Die Zeit verging rasend schnell.
»Ich möchte mich für den tollen Nachmittag bedanken, du hast mir wirklich sehr geholfen und mich abgelenkt«, merkte Jesse an.
»Ja, es war schön und es war mir eine Ehre, den Nachmittag mit dir zu verbringen. Ich bin noch bis übermorgen in Banff, hast du nicht Lust, morgen Abend zum Essen zu gehen?«
Sie überlegte und war sich nicht sicher. Jedoch hatte sie ein sehr gutes Gefühl dabei.
»Okay, das klingt toll, wann und wo wollen wir uns treffen?«, wollte sie wissen.
»Was hältst du vom Grizzly House in Banff?«
»Ja, das kenne ich, aber das ist auch ziemlich teuer!«
»Mach dir mal keine Gedanken ums Geld, ich lade dich ein«, sagte Collin spontan.
»Nein, auf keinen Fall, aber wir treffen uns um neunzehn Uhr, was denkst du?«
»Ja, das wäre toll.« Die beiden gingen noch gemeinsam zum Parkplatz, wo sie sich verabschiedeten.
»Bis morgen«, rief Collin ihr hinterher und winkte zum Abschied.

Jesse saß noch eine Zeit in ihrem Wagen und dachte nach. Wie konnte ich mich nur darauf einlassen, mit einem fremden Mann zum Essen zu gehen? Wie soll ich das Sean erklären? Jesses Freund. Sie lebte bereits einige Jahre in einer Beziehung. Doch glücklich war sie schon lange nicht mehr mit ihm. Die beiden stritten sich viel. Sean war von der Statur her ein Muskelprotz, der oft trainierte. Sein Körper war übersät mit Tattoos und seine Persönlichkeit manchmal sehr beängstigend. Aber mit seinen kurz geschnittenen Haaren und seinem Bart sah er immer sehr gut aus. In der Beziehung allerdings war er bestimmend. Doch Jesse hatte es bis heute nicht geschafft, einen Schlussstrich zu ziehen. Zu viel Angst hatte sie vor seiner Reaktion und er schaffte es immer wieder, sie zu überzeugen, dass er sich ändern würde. Was bis heute jedoch nicht geschah. Jesse war allerdings froh, in einer eigenen Wohnung zu leben, so hatte sich ihr immer wieder die Möglichkeit einer Auszeit geboten, so wie heute auch. Vielleicht lässt er mich bis morgen in Ruhe, dann wird er gar nicht mitbekommen, dass ich mit Collin zum Essen gehe. Normalerweise war Jesse nicht der Typ Frau, der gleich beim ersten Aufeinandertreffen Nummern austauschte und sich mit einem Mann traf, aber bei Collin hatte sie ein vertrautes Gefühl gehabt, welches sie sich nicht erklären konnte. In seiner Gegenwart fühlte sie sich wohl, fast wie nach Hause kommen, aber das konnte doch gar nicht sein. Jesse fuhr erst mal in ihre Wohnung nach Canmore. Dort angekommen machte sie es sich in ihrem Wohnzimmer gemütlich. Sie überlegte, Sean eine Nachricht zu schreiben, verwarf den Gedanken jedoch sehr schnell. Warum sollte ich mich bei ihm melden, nachdem ihm wieder mal die Hand ausrutschte und er mir eine Ohrfeige verpasste?
Sie hatte nach solchen Auseinandersetzungen mit Sean immer das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Die Schuldgefühle brannten sich in ihr Herz. Aber wahrscheinlich war es genau das, was Sean erreichen wollte. So hatte er sie im Griff. Bei all diesen Gedanken an den Streit sammelten sich Tränen in ihren Augen und liefen ungehalten die Wangen hinab. Als ihr Handy piepte, zuckte Jesse zusammen, sie war sicher, das war eine Nachricht von Sean. Mit Tränen verschwommenem Blick schaute sie auf das blinkende Handy auf dem Wohnzimmertisch. Als sie sich überwand nachzusehen, war sie erleichtert. Eine Nachricht von Collin. Ihr Herz machte im ersten Moment einen Sprung.

Hallo Jesse, ich freue mich, dich heute kennengelernt zu haben, und danke für den schönen Nachmittag, lieben Gruß Collin.

Sie freute sich sehr über die netten Worte und schrieb ihm ein paar Zeilen zurück. Wieder hatte Collin es geschafft, sie von ihren Tränen abzulenken. Wie schaffte er dies nur?
Jesse war vom vielen Weinen heute und all den Gedanken und Gefühlen, die sie überrannten, sehr müde geworden. Sie ging relativ zeitig ins Bett. Im Schlaf kann ich nicht nachdenken, kam es ihr in den Sinn. Dann schloss sie die Augen und schlief bald ein.

Nun wünsche ich Euch noch eine gute Zeit und hoffe die Leseprobe macht Lust auf mehr!

Eure Nicole Franziska

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